 Caenorhabditis elegans durch ein Rasterelektronenmikroskop betrachtet/freundlicherweise zur Verfügung
Gestellt von Ralf Sommer
www3.eb.tuebingen.mpg.de
 Caenorhabditis elegans durch ein Rasterelektronenmikroskop betrachtet/freundlicherweise zur Verfügung
Gestellt von Ralf Sommer
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Normale Petunie
Jan Kooter
Epigenome NoE
Transgene Petunie (mit zusätzlichem “Violettgen”)
Jan Kooter
Epigenome NoE
Kurz gefasst
Nobelpreis für Epigenetik
Was haben Petunien und Fadenwürmer gemeinsam? Sie sehen unterschiedlich aus, fühlen sich unterschiedlich an, schmecken… nun, das würde man annehmen. Petunien wie Würmer halfen Wissenschaftlern bei der Entdeckung einer neuartigen Art und Weise, auf die Gene ausgeschaltet werden. Die Natur hat mehrere Wege Gene zu deaktivieren, ein kluger Trick, der demselben Genom viele verschiedene Expressionsmuster oder Epigenome in einem Körper erlaubt.
Ein solcher Kniff, die RNA Interferenz, ist überall in den Schlagzeilen, seit Andrew Fire (Stanford, CA) und Craig Mello (Massachusetts, MA) der Nobelpreis für Medizin für ihre Arbeiten über RNAi am Fadenwurm Caenorhabditis elegans zuerkannt wurde. Ein Artikel im Jahr 1998 in Nature behandelte ihre überraschende Entdeckung.
Marjori Matzke (Gregor Mendel Institute, Wien) weist darauf hin, dass ungefähr ein Jahrzehnt früher „eine Handvoll botanischer Labore über seltsame Fälle von Gen-Silencing in transgenen Pflanzen gestolpert waren“. 1989 veröffentlichte ihr Forschungsteam seine Ergebnisse an transgenen Tabakpflanzen und stellte dar, wie Transgene in Pflanzen mit zwei Kopien abgeschaltet, aber aktiv in Pflanzen mit einer einzigen Kopie waren.
Im folgenden Jahr versuchten eine niederländische und eine US Gruppe zeitgleich die Blütenfarbe von Petunien zu verbessern und erzielten gleichermaßen seltsame Resultate. Anstatt das satte Violett der Petunienblüte zu verstärken, erzeugten Extrakopien des „Violettgens“ eine prächtige Vielfalt an Blumen, einige mit violetten Spritzern auf weißem Grund, andere vollständig weiß. Als sich die Forscher das RNA-Niveau für das „Violettgen“ anschauten, zeigten die weißen Blüten sehr niedrige Werte, was zur Einsicht führte, dass das zusätzliche Gen irgendwie die eigene Kopie der Pflanze abschaltete.
In den Neunziger Jahren berichteten Pflanzenforscher von weiteren wichtigen Entdeckungen. Gegen Ende des Jahrzehnts gaben Fire und Mello Aufschluss über die Mechanismen, die dieser geheimnisvollen Genabschaltung zu Grunde liegen. Das Duo injizierte einsträngige Sense-RNA aus einem Muskelgen in Würmer. Nichts geschah, auch nicht, als sie stattdessen Antisense-RNA von demselben Gen einbrachten. Aber die gemeinsame Zuführung von sowohl Sense als auch Antisense RNA ließ die Würmer zucken. Antisense und Sense RNA bildeten doppelsträngige RNA (dsRNA), die die Umsetzung des Muskelgens in Protein unterbrachen.
Kurz darauf führten David Baulcombe und Andrew Hamilton (John Innes Centre, Norwich, UK) den Prozess weiter aus, als sie erkannten, dass die dsRNA in kleine Teile zerschnitten wird (siRNAs), die eine Schlüsselrolle beim Gen-Silencing spielen. dsRNA wird von einem Protein namens Dicer aufgespalten. Kurze RNAs werden einsträngig, wenn sie sich an andere Proteinkomplexe binden, aus denen sie dann herausragen - klebrige Fühler auf der Suche nach einem komplimentären RNA-Kode. Komplementäre mRNA, die auf dem Weg ist, um zu Protein zu werden, wird abgefangen und abgebaut. Das betreffende Gen ist somit abgeschaltet.
Sowohl in Pflanzen als auch in Tieren ist RNAi eine natürliche Verteidigung gegen eindringendes genetisches Material, ob künstlich eingebracht, wie in den oben erwähnten Experimenten, oder natürlich in der Form eines Virus. Zusätzlich stellt dieser Prozess eine der drei Hauptarten der Abschaltung von Genen während der Entwicklung dar. Über die natürliche Rolle der RNAi hinaus hat die Technik weit reichende Folgen für die Medizin. Die Fähigkeit, fehlerhafte Gene anpeilen und zum Schweigen bringen zu können, ist viel versprechend für die Behandlung von Krankheiten mit genetischer Komponente. Und ohne die Würmer und die Petunie wären wir nicht klüger als zuvor…
Lesen Sie die Nobelpreis-Pressemitteilung
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